Jeder Wohnmobilbesitzer kennt das leidige Thema „Schieflage„. Ein Großteil der Stellplätze ist entweder nach allen nur erdenklichen Seiten uneben, oder zumindest konsequent nach einer Seite hin. Letzteres ist oftmals vom Betreiber auch so gewollt, damit etwa das Regenwasser leichter ablaufen kann und der Platz nicht absäuft. Gegen die Schieflage greifen viele dann zu den sogenannten Auffahrkeilen*, aber die helfen leider nur bedingt weiter und das „erklimmen“ der Keile macht auch nicht wirklich Spaß. So manch eine Kupplung musste hierbei schon einige ihrer Lebensjahre einbüßen. Sollte der Platz aber zu mehreren Seiten Unebenheiten aufweisen, dann helfen einem auch keine Keile mehr weiter. Deutlich bequemer und auf Knopfdruck bekommt man sein Wohnmobil mit einer hydraulischen Hubstützenanlage in die waagerechte, oder auch in jede andere gewünschte Position. Wir haben uns nach einer coronabedingten Wartezeit von über 6 Monaten jetzt die Anlage vom Hersteller E&P Hydraulics nachrüsten lassen.
Die Funktionsweise
Hersteller gibt es einige auf dem Markt, aber das Grundprinzip ist bei allen gleich. Hydrauliköl wird von einer Pumpe durch Schläuche in die Hydraulikstützen gepresst, welche das Fahrzeug dann in die Höhe stemmen oder umgekehrt die Stützen wieder bis zur Park- bzw. Fahrposition einziehen. Die Bedienung geschieht entweder über eine Fernbedienung, per App, oder über ein Bedienteil und bei manchen Systemen ist auch eine Wiegefunktion integriert. Die maximale Belastung liegt ja nach System und Hersteller zwischen 2 und 22 Tonnen pro Stütze. Der Stromverbrauch pro Hebevorgang hängt u.a. vom Gewicht des Fahrzeugs ab und der Strom wird aus der Aufbaubatterie entnommen. Die Entnahme ist aber nur kurzfristig und sollte daher kein Problem darstellen. Das Eigengewicht der hydraulischen Hubstützenanlage liegt zwischen 60 und 80 Kilogramm, kann aber je nach Fahrzeug auch ein wenig höher sein und preislich geht es ab etwa 6.500 Euro los.
Laut Herstellerangabe dürfen sich keine Personen im Fahrzeug aufhalten, während die Hydraulikstützen benutzt werden. Ob das immer in der Praxis und bei Wind und Wetter so umgesetzt wird, wage ich aber doch etwas zu bezweifeln. Ein Herumlaufen im Fahrzeug sollte man aber beim Ausrichten vermeiden, um die eingebaute Waage nicht zu stören. Die Systeme sind offiziell auch ausschließlich (Ausnahme Pro-Serie von Goldschmitt) zur Verwendung als Levelsystem konzipiert und dienen nicht als Hubanlage für Arbeiten am oder gar unter dem Fahrzeug.
Eine solche Aussage hat natürlich vorwiegend haftungstechnische Gründe. Jede Stütze schafft mindestens zwei Tonnen, sodass selbst beim kleinsten Model und unserem 5,5 Tonnen Fahrzeug eine Reserve von 2,5 Tonnen Hubkraft bleiben würde. Aus meiner Sicht spricht somit wenig dagegen, das Fahrzeug etwa für die Schneekettenmontage oder einen Reifenwechsel anzuheben. Bei letzterem kann man zusätzlich einen passenden Stützbock als Sicherheitspuffer verwenden. Ein Anfahren mit ausgezogenen Stützen wird übrigens auch verhindert, denn die Systeme geben eine Warnung aus und ziehen die Stützen automatisch ein, sobald der Motor gestartet wird. Wenn man möchte, kann man über diesen Weg die Stützen auch generell einfahren lassen.
Beim Nivelliervorgang fahren die Stempel zunächst bis zum Bodenkontakt aus. Anschließend beginnt das eigentliche Anheben, und zwar immer mit zwei Stützen paarweise, um den Aufbau vor Verwindungen zu schützen. Bei der Nivellierung fahren die Stützen auch nur so weit, wie nötigt aus, bis das Fahrzeug in Waage ist. Es ist also nicht zwingend erforderlich, dass sich alle Räder in der Luft befinden müssen, auch wenn das sicherlich am beeindruckendsten aussieht. Die Reifen sollten, wenn möglich, immer einen (wenn auch nur leichten) Kontakt zum Boden haben, um die Stabilität des gesamten Fahrzeugs nicht zu gefährden. Auch würden die Stützen bei Seitenwind unnötig stark belastet und es könnten so auch Materialschäden auftreten. Daher immer nur so weit wie nötig ausfahren. Die Teller am Ende der Stütze sitzen übrigens in einem massiven Kugelgelenk und können sich somit beim Ausfahren an die Schräge des Bodens anpassen. Die sitzen aber so fest, dass sie während der Fahrt nicht klappern.
Hier sieht man die Einzelteile des E&P Hydraulics Levelsystems
Die Montage
Den Einbau einer hydraulischen Hubstützenanlage können viele Fachwerkstätten für Reisemobile vornehmen. Es wird eine zentrale Hydraulikeinheit mit Öltank und Pumpe in einem am besten gut zugänglichen Stauraum eingebaut. Hinzu kommt noch eine kleine Steuereinheit, welche gleichzeitig den Neigungswinkel des Fahrzeugs erkennt. Die vier Hydraulikstützen werden am Rahmen des Fahrzeugs, oder wenn nötig an einem optionalen Rahmen befestigt und mit den Schläuchen an die Pumpe angeschlossen. Zum Abschluss wird das Fahrzeug, genauer gesagt das System noch kalibriert. Das Ganze dauert in der Regel nicht länger als einen Tag, aber ein zweiter Tag sollte als Puffer geplant werden, denn jedes Wohnmobil ist ja bekanntlich anders.
Bei uns wurde die Pumpe in einem Schutzgehäuse unterhalb des Fahrzeugs angebracht. Hier käme man im schlimmsten Falle recht einfach dran, um die Stützen manuell einzufahren. Die vier Stützen werden am Fahrzeug so hoch wie möglich und so tief wie nötigt montiert, um die Bodenfreiheit nicht zu sehr einzuschränken. Ganz ohne einen Verlust wird aber je nach Fahrzeug evtl. nicht gehen können und somit wie bei vielem ein Kompromiss, den man eingehen muss. Bei uns ist die Stütze im eingefahrenen Zustand nicht tiefer als der tiefste Punkt des Fahrzeugs, auch wenn das durch deren Montageplatz optisch anders aussieht.
Je nach Hersteller und Model beträgt die Hubhöhe 275 bis 483 mm. Wie hoch ihr aber eurer Fahrzeug „in die Luft“ bekommt, hängt neben dem Untergrund natürlich auch von der vorhandenen Bodenfreiheit und eurer Bereifung ab. Es gibt hier auch sogenannte Doppelhubstützen, die etwas weniger Platz unter dem Fahrzeug benötigen, aber bauartbedingt nicht ganz so weit ausfahren können. Hier muss jeder am Ende für sich abwägen, was im Alltag lieber oder wichtiger ist.
Einfache Bedienung
Auf dem Platz angekommen muss man nur noch die Handbremse anziehen und schon kann es losgehen. Die Handbremse kann man nach erfolgter Nivellierung aber auch wieder lösen, um im Winter ein Festfrieren zu verhindern, oder die Vordersitze besser drehen zu können. Je nach Beschaffenheit des Platzes sollte man prüfen, ob auch alle vier Stützen Bodenkontakt haben können. Besonders bei größeren Schräglagen empfiehlt es sich, zusätzliche Platten (z.B. aus Holz oder Gummi) unter die Stützteller der tiefer liegenden Seite zu legen, um extreme Gefälle besser auszugleichen. Dies minimiert auch das Risiko, dass man an seine Hubgrenze kommt und nicht mehr korrekt ausgleichen kann. Im sehr kalten Winter kann man auch ein rutschhemmendes Material (etwa ein Stück Teppich) unter die Teller legen, um ein mögliches anfrieren oder wegrutschen zu vermeiden. Hier sammelt man aber recht schnell Erfahrungen, wann ein solches Unterstützen nötig ist.
Nach Betätigen der automatische Nivellierung beginnt der Spaß. Die Stützen fahren paarweise aus und justieren sich wie von Zauberhand und in weniger als 2 Minuten steht unser Wohnmobil waagerecht auf dem Platz. Das hängt aber natürlich von den Gegebenheiten des Untergrundes und der maximalen Hublänge ab, was jedoch klar sein sollte. Natürlich kann man die Stützen auch manuell ausfahren und eine individuelle Position erzeugen. Sollte das Fahrzeug am Anfang bereits „sehr“ schräg stehen, kann es vorkommen, dass die automatische Funktion verweigert wird. Dann muss man auf manuell umschalten, was aber auch kein Problem ist und auf unserem Touchdisplay wird auch über eine Wasserwaage angezeigt, welche Stütze noch angepasst werden muss.
Noch ein paar Mehrwerte
Neben der automatischen und manuellen Nivellierung, können auch gezielt schiefe Positionen einprogrammiert werden. Mit dieser Funktion kann etwa der Grauwasser oder Frischwassertank einfacher abgelassen werden. Man bringt sein Fahrzeug einfach manuell in die gewünschte Position und speichert diese ab. Mit einem Tastendruck fährt das Wohnmobil in der Zukunft immer wieder in diese spezielle Schräglage und der Tank kann deutlich besser entleert werden.
Wer sich auf einer nassen Wiese festgefahren hat, kann den Camper auch anheben und Anfahrhilfen* unter die Reifen legen. Die Montage von Schneeketten geht mit Hubstützen auch deutlich leichter. Mit der eingebauten Wiegefunktion kann man Zuhause vor Abfahrt bereits erkennen, ob man noch einmal etwas aussortieren muss. Vor einem Diebstahl kann den Camper auch besser schützen, weil sich viele Systeme mit einer PIN schützen lassen und auf den Stützen kommt man nicht vom Fleck. Bei einer längeren Standzeit, etwa über den Winter hin, könnt ihr auch die Reifen entlasten.
Wartung
Das System von E&P Hydraulics ist grundsätzlich wartungsfrei. Die Stützen und Dichtungen werden bei der Montage mit einem Hochleistungsschmierstoff eingesprüht. Dieser schützt die verchromten Oberflächen der Stützen langfristig vor Korrosion durch Flugrost. Damit das dauerhaft so bleibt, sollte man diesen kurzen Vorgang zwei- bis dreimal im Jahr etwa mit einem Haftschmierstoff* wiederholen, besonders wenn das Fahrzeug länger salzhaltiger Luft ausgesetzt ist. Das Einsprühen geht aber ja schnell und unsere Gummidichtungen fette ich auch mehrmals im Jahr ein, da kann ich die Stützen auch kurz mit Schmierstoff versorgen.
Notbedienung
Die Anlagen sind in der Regel mit einer Möglichkeit ausgestattet, die Stützen auch manuell einzufahren. Sollte die Steuereinheit defekt sein, eurer Fahrzeug nicht mehr anspringen, oder was auch immer passieren, dann kann man die Stützen (je nach System) per Kurbel, Handpumpe oder mit einem Akkuschrauber auch manuell wieder einfahren.
Fazit
Es gibt bei uns immer mal wieder Anschaffungen, die müssen im Kopf über die Jahre erst etwas reifen. Anfangs wollte ich kein Aluregal in der Heckgarage, bis ich mir günstig eines selbst gebaut habe und jetzt nicht mehr missen möchte. Die geniale Trocken-Trenntoilette hatten wir früher auch belächelt. Einen 230V Wechselrichter für Kaffeemaschine oder Föhn fand ich immer etwas übertrieben. Alles Dinge, welche wir jetzt haben und nicht mehr darauf verzichten wollen. So ist es auch mit der hydraulischen Hubstützenanlage, wobei diese wegen ihres Eigengewichtes in unseren alten Fahrzeugen (alle unter 3,5 t) nicht infrage kam. Jetzt haben wir ein solches System und auch dieses wollen wir nicht mehr missen.
Das Wasser läuft in der Spüle und Dusche jetzt ohne weiteres Zutun ab. Schubladen öffnen oder schließen sich nicht ungewollt von selbst. Es rollt nichts mehr einfach über den Tisch und in jedem unserer Betten schläft man jetzt etwas angenehmer. Der Grauwassertank kann jetzt vollständig abgelassen werden und grundsätzlich wackelt es im Fahrzeug einfach nicht mehr so sehr. Keine kleine Investition, aber eine, die sich aus unserer Sicht lohnt.
Ich überlege aktuell auch, ob ich unserem Wohnmobil eine Hydrauliksystem verpassen soll. Möchte dies aber im Zusammenhang mit einer Auflastung und Luftfederung (hinten) verbinden. Da wir aktuell noch mit einer Ablastung auf 3,5t fahren.
Hatte mir hier das System von SHR Hydraulik angeschaut. Kostenpunkt ist aber, durch die beiden anderen Punkte, natürlich höher – als die rund 6.000/6.500€.
Hallo Tobias, die Auflistung kostet dann den geringsten Teil, sofern du mit dem Gewicht zufrieden bist. Eine luftfederung hinten ist eine feine Sache. Haben wir, weil das bei 5,5 Tonnen beim Sprinter auch nicht anders geht. Fahrkomfort ist besser und bei etwa Fähren, können wir das Heck um bis zu 8 cm in die Höhe heben. Alles nette und sinnvolle Investitionen für euren Camper.
Ich werde berichten, sollten wir es umgesetzt haben. Auflastung soll auf ca. 4t erfolgen…
Ich kann das System von Amplo uneingeschränkt empfehlen. Hat Goldschmitt frühers verbaut, bis Sie was eigenes entwickelt haben. D.h. die Amplo Anlage gibt es schon sehr lange (längere Erfahrung als Alko). Habe mir die Anlage direkt beim Hersteller in Carpi bei Modena / Italien einbauen lassen. Kann nur sagen super. Und auch preislich war der Einbau in Italien interessant…
Wir haben auch seit 2015 eine 2-stufige Anlage von E&P in unserem Mobil. Wir waren nur 3x mit Keilen unterwegs. Hauptsächlich das Wackeln des Aufbaus und die Handhabung der dreckigen Keile bei schlechtem Wetter haben uns dazu gebracht.
Ein Jahr später ist dann noch die Vollluftfeder von VB Airsuspensions dazu gekommen. Der Fahrkomfort ist extrem verbessert und man kann das Fahrzeug vor dem Nivellieren per „Parking“ in die tiefste Position bringen. Die Luftfedern werden komplett entleert. Das Fahrzeug wird dann oft nur wenig angehoben, bis es in der Waage ist.
Mit der Autolevelfunktion kann man die Stützenanlage bei zu schrägem Gelände überlisten. Erst damit so weit vornivellieren, bis das E&P Bedienteil die Schröglage für zulässig befunden hat und dann die Stützen ausfahren. Hier gibt es natürlich auch Grenzen aber wir konnten die Stützen bisher immer nutzen. Wir möchten nicht darauf verzichten.
Servus,
wir sind auch im Winter unterwegs. Zu oft haben die Reifen mit den Keilen Grip aufgebaut, nicht jedoch die Keile mit dem vereisten Untergrund.
Entsprechend flogen die Keile wie Geschosse durch die Gegend. Auch der Kupplungsgeruch lag mir nicht.
Wir haben uns vor 3 Jahren eine „elektrische“ Hubstützenanlage (Autolift) gegönnt. Bis heute sind wir sehr zufrieden.
Es ist sehr angenehm, dass nichts mehr wackelt wenn man(n)/Frau sich bewegt ;-)
Die von Torsten angesprochene Vollluftfederung von VB Airsuspensions können wir ebenfalls empfehlen.
Als wir unseren, bereits sehr gut ausgestatteten, MQH (Jahreswagen) auf die Waage stellten, war klar, ohne Auflastung geht gar nichts.
Was die Stromversorgung angeht, wir kommen mit einer 200er von Liontron gut zurecht.
Hi Andreas, Stützen, Vollluftferderung und 200Ah Lithium sind eine super Ausstattung im MQH. Haben heute noch einen in Lippoldsberg gesehen und an die schönen Zeiten gedacht. Klasse Fahrzeug!!
Nun ist es vollbracht – Auflastung auf 4.090kg, mit Zusatzluftfederung an der Hinterachse und neuen Schraubenfedern an der Vorderachse – beides von Linnepe. Danach wurde das Hubstützen-System inkl. Wiegefunktion von SHR Hydraulik verbaut.
Das Fahrverhalten ist um Welten besser und wir müssen uns endlich keine Sorgen mehr um das Gewicht machen. Ebenso wenig um ein schief stehendes Fahrzeug.
Natürlich sind die Investitionen, wie Du schon gesagt hast, nicht ohne, aber ich kann es jedem nur empfehlen. Allen voran die Veränderungen am Fahrwerk – die halt den Komfort und die Sicherheit erhöhen.
Ich wusste nicht, dass man die Stützen und Dichtungen am besten dreimal im Jahr mit dem Hochleistungsschmierstoff eingesprüht werden sollten. Ich werde künftig darauf achten. Für mein Unternehmen bin ich gerade auf der Suche nach einem Spezialisten für Ziehkissen.
Mir hatte SHR bei der Einweisung erklärt, die Zylinder zwischendurch mit z.B. Balistol einzuschmieren. Nie mit WD40 oder dergleichen.
Hallo Tobias, ja KEIN WR40 verwenden, welches ein Reinigungsmittel ist. Mir wurde vom E&P Premium der Haftschmierstoff HHS 2000 empfohlen. Ansonsten müssen die Stützen zum Schutz mit einem Silikonmittel eingesprüht werden. Ballistol geht daher auch. Viele Grüße Marc
Hallo Tobias,
Auflastung, Zusatzluftfederung und Hubstützen sind eine sehr gute Entscheidung. Ich wünsche Euch ganz viel Spaß damit und allseits gute Fahrt. Viele Grüße Marc