Wer braucht die Caravanmessen mehr, die Hersteller oder die Kunden?

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Camping ist als Reiseform seit Jahren sehr beliebt und die Branche hat durch Corona einen weiteren Schub bekommen. Die Zulassungszahlen von Freizeitfahrzeugen, also Wohnmobilen und Wohnwagen schießen in die Höhe und jeden Monat wird ein neuer Rekord gegenüber dem Vorjahr verzeichnet. Die Corona Pandemie und die damit verbundenen Auflagen für Veranstaltungen wie etwa Caravanmessen stellen die Hersteller und somit auch die eigentlichen Messeveranstalter vor große Herausforderungen.

Auch wenn der Caravan Salon 2020 in Düsseldorf durch ein gutes Hygienekonzept möglich gewesen ist, hagelte es im Vorfeld bereits Absagen von Ausstellern. Etwa die der Erwin-Hymer-Gruppe, dem europäischen Marktführer mit ihren Caravan- und Wohnmobilmarken Hymer, Bürstner, Carado, Dethleffs, Eriba, Laika, Niesmann+Bischoff, LMC und Sunlight und TEC. Aber auch viele weitere wie etwa Pössl, Citroën usw. waren auf dem Caravan Salon nicht vertreten.

Brauchen Hersteller die Messen eigentlich noch, oder eher nur die Kunden?

Aus Sicht des Kunden betrachtet, ist eine Messe natürlich sehr praktisch. Wer etwa als Anfänger sich über die unterschiedlichen Aufbauten wie Van, Kastenwagen, Teilintegrierte, Vollintegrierte oder Alkoven nicht nur in Prospekten oder im Netz informieren, sondern diese auch alle sehen und ausprobieren möchte, für den gibt es kaum etwas besseres als eine Caravanmesse. Sicherlich bieten auch viele der großen Händler eine auf den ersten Blick ausreichend erscheinende Auswahl, von den eben beschriebenen Aufbauarten an, aber sie können natürlich nicht die Markenvielfalt einer Messe realisieren.

Wer also nicht nur auf dem Papier oder aus einem Imagefilm erfahren möchte, warum ein Kastenwagen von La Strada locker das doppelte kostet wie etwa einer von Roadcar, der müsste viele Händler abklappern, oder fährt einen Tag auf eine der Messen und überzeugt sich live davon. Hierbei möchte ich weder die eine Marke schlecht machen, noch die andere in den Himmel loben. Was die Verarbeitung des Aufbaus angeht, so haben wir aber auf den Messen schon recht schnell die Qualitätsunterschiede der einzelnen Hersteller erkennen können. Für uns Kunden ist eine Messe also eine feine Sache, aber wie sieht es denn bei den Herstellern aus?

In der Regel dient eine Messe dazu, Produkte und hierbei vor allem Neuheiten an den Mann oder die Frau zu bringen. Wenn aber die Nachfrage nach den Produkten so groß ist, wie es aktuell bei Freizeitfahrzeugen, also Wohnmobilen und Wohnwagen der Fall ist, kann man sich als Hersteller natürlich das Ganze einmal genauer überlegen.

Hier muss man nämlich einfach mal wie mein Freund Ansgar und seines Zeichens IT-Einkäufer es sagen würde „Mit dem ganz spitzen Bleistift ans Werk gehen“. So ein Messeauftritt kostet je nach Standgröße locker mal 6- bis 7- stellig. Nehmen wir mal die Kosten auf dem Caravan Salon in den Hallen für Fahrzeuge. Hier kostet laut Preisliste nur der reine Quadratmeter Bodenfläche schon 116,55€ und 1000m² Standfläche sind nicht viel. Schauen wir uns dann mal den recht kleinen Hersteller Carthago mit seiner Tochter Malibu an. Der Stand hatte auf dem Caravan Salon 2020 eine Größe von 2500m², was alleine nur an Kosten für die reine Bodenfläche 291.375€ ausmacht.

Dazu kommt dann ja aber noch der eigentliche Messestand, denn mit ein paar Autos hinstellen ist es ja noch lange nicht getan und selbst die werden sehr aufwändig und mit hohen Kosten verbunden zur Messe transportiert. Nicht vergessen darf man dann auch das ganze Werbegedöns, Kosten für Mitarbeiter, Reise, Hotel, Verpflegung und noch viele Punkte mehr.

Am Ende steht eine riesige Summe auf dem Papier, die man bis Ende des Jahres ja wieder reingeholt haben muss und der Caravan Salon ist ja nur eine Messe, wenn natürlich auch die größte der Welt, aber man ist in der Regel auf mehreren Messen vertreten. Hier überlegt sich also sicherlich der ein oder andere Finanzvorstand ganz genau, ob das alles weiter so sein muss, wenn die Kunden einem die Produkte doch eh aus den Händen reißen.

Ich habe noch keine offizielle Aussage über die Betrachtung der Kosten gefunden, was sich natürlich Marketingtechnisch auch nicht so gut machen würde. Stattdessen steht jetzt natürlich die Gesundheit der Mitarbeiter, Handelspartner und vor allem der Kunden im Vordergrund. Hinzu kommt eine nicht so schöne Atmosphäre beim Präsentieren der Fahrzeuge. So wie in dem Auszug der Pressemitteilung zur Absage der Erwin-Hymer-Gruppe ließt es sich bei allen anderen Herstellern ähnlich.

„Die Gesundheit unserer Mitarbeiter, Kunden und Handelspartner hat für uns oberste Priorität. Die Anforderungen, die die Corona-Pandemie auch in den kommenden Monaten mit sich bringen wird, machen eine ungezwungene Atmosphäre und intensiven Austausch nicht möglich. Das betrifft auch den hohen Anspruch, den wir bei Hymer seit jeher in Beratung und Serviceleistungen unseres Unternehmens haben“, erklärt Christian Bauer, Geschäftsführer der Hymer GmbH & Co. KG. „Daher werden wir neben dem Caravan Salon alle weiteren geplanten europaweit stattfindenden Messen und Großveranstaltungen für 2020 absagen.“ Die Entscheidung wurde im Einvernehmen über die gesamte Erwin Hymer Group getroffen.

Hymer Pressemitteilung

Was macht der Kunde denn nun, wenn keine Messe stattfindet?

Alles kein Problem meint Hymer, denn neben den digitalen Angeboten gibt es doch die freundlichen Händler und die können doch jetzt die Beratung und den Verkauf direkt bei sich machen. Das ganze liest sich dann in der Pressemitteilung so:

„Wir sind überzeugt, dass wir unseren Kunden über unser starkes Händlernetzwerk und unsere reichweitenstarken digitalen Angebote und Plattformen auch in den kommenden Monaten ein ebenso emotionales wie informatives Produkterlebnis bieten“, so Christian Bauer weiter.

Natürlich kann und sollte man sich vorher im Netz über Hersteller und Modelle informieren. Was die einzelnen Internetauftritte der Hersteller angeht, so besteht hier aber teilweise noch großer Verbesserungsbedarf. Vereinzelt werden Bilder der unterschiedlichen Modelle vertauscht und man schaut sich dann eigentlich ein anderes Fahrzeug an, was man auch manchmal so kaum erkennen kann. Auch sind die Produktbeschreibungen teilweise sehr dürftig. Dieser Umstand ist leider keine Seltenheit. Was aber eine Seltenheit ist, das sind gut gemachte 360° Ansichten, bei denen sich ein Kunde zumindest virtuell, einen guten Eindruck vom Fahrzeug machen kann.

Hier sei mal der Hersteller Dopfer Reisemobilbau lobend erwähnt, welcher für seine Fahrzeuge wie etwa den 422A Family eine gutgemachte 3D Raumansicht bereitstellt. Natürlich bieten auch andere Hersteller eine 360° Ansicht vom Innenraum des Fahrzeugs an, aber so wirklich durch das Fahrzeug „laufen“, kann man leider nur selten. Hier ist also noch Luft nach oben, was den digitalen Auftritt angeht.


Die Hersteller ruhen sich teilweise auf dem Erfolg aus

Ich will jetzt hier aber nicht nur den Finger auf die Hersteller zeigen, jedoch habe ich teilweise schon das Gefühlt, dass sich der ein oder andere etwas entspannt zurücklehnt. Das liegt sicherlich an den extremen Zulassungszahlen und der damit verbundenen Nachfrage nach Freizeitfahrzeugen jeglicher Art. Also Corona mal so gut es geht ausgeblendet, kann man schon sagen, dass Messen sehr kostspielig sind und sich einige Hersteller jetzt erst recht gut überlegen, ob sie jede Messe mitmachen müssen. Ich denke, es wird mehr in Richtung Hausmessen beim Hersteller, oder bei den Händlern gehen. Solange sich Wohnmobile und Wohnwagen so gut verkaufen wie die letzten Jahre, dürfte das der neue Weg sein.

Wie sieht es bei euch aus, informiert ihr euch gerne auf Messen über Neuheiten, oder lieber im Netz oder beim lokalen Händler?

5 Kommentare
  1. freerider
    freerider sagte:

    Die Messe bietet dem Interessenten die breitere Transparenz, Auswahl und Entscheidungshilfe. Der Händler nutzt nur den Interessenten, die bereits auf dessen begrenzte Auswahl eingestellt sind.

  2. Reiner Spelz
    Reiner Spelz sagte:

    Moin zu Camping Familie, Messen sind immer interessant, aber stehen heute in keinem Verhältnis mehr zu dem höchsten Kostenaufwand, den der evt. Käufer in jedem
    Falle mitbezahlt, Die Internet Auftritte der Hersteller genügen als erste Info auf jeden Fall
    Man muss nicht auf den grossen Messen durch 20 Objekte „toben“ um das richtige zu
    finden. Die regionalen , nahen Händler haben auch reichlich Auswahl.
    Schade um das große Ewent auf dem Womoplatz bei der Ausstellung in Düsseldorf, aber Alles kann und muss man nicht haben. Bleibt gesund , Mit freundlichen Grüßen
    Reiner Spelz

  3. Reiner Spelz
    Reiner Spelz sagte:

    Moin, als Nachtrag zu meiner Email von heute Mittag :: Selbst die Automobil Ausstellung
    In FfM war den Milliarden schweren Herstellern zu teuer. Und die „ kleinen „ Camp Hersteller sollen das wagen. Nach dem Hyp kommt immer ein douwn. Dafür hat man besser ein finanzielles Polster bleibt gesund. Reiner Spelz

  4. freerider
    freerider sagte:

    Trotz des immensen Aufwandes für die Hersteller sind Fachmessen unersetzlich für einen gesunden Wettbewerb und ordentliche Produktqualität – und damit letztlich für die Kunden! Ein Irrtum, zu glauben, die Hersteller würden eingesparte Messebudgets an Kunden weitergeben. Die wenigen Hersteller ruhen sich angesichts völlig überhöhter Marken-Image-Werte auf dem Nachfrageboom aus: Mit schlampiger Fertigung und nachlässigem Service! Über die zahlreichen Irrtümer, Fehler und Produktmängel wird kaum berichtet, denn wer outet sich schon gern damit, bei seinem grossen Invest geirrt und daneben gegriffen zu haben?
    Für den Interessenten ist eine Fachmesse nur duch zahlriche Händlerbesuche zu ersetzen, wobei auch dann die Breite der Fahrzeugauswahl noch fragwürdig ist. Ich jedenfalls hätte meine aktuelle Perle (mein 3. Reisemobil) ohne die direkte Inaugenscheinnahme und Verprobung auf einer Messe niemals finden können.

  5. Marc Broch
    Marc Broch sagte:

    Du hast in sehr vielem Recht. Fachmessen sind sehr wichtig und das nicht nur für den Kunden. Auch richtig ist, was die teilweise immer größer werdenden Produktmängel angeht und das nicht viele Kunden darüber reden wollen, dass Ihr Traumfahrzeug nicht so toll ist, wie sie es sich gewünscht haben.

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